dOCUMENTA (13) und der Hatje Cantz Verlag freuen sich, die Veröffentlichung der neuen Notizbücher (Nr. 34 – 55) anzukündigen. Die ersten 33 Notizbücher der Serie 100 Notizen – 100 Gedanken wurden 2011 veröffentlicht und im Rahmen verschiedener Veranstaltungen in Kairo, New York, Buenos Aires, Thessaloniki, Paris, Oslo und London vorgestellt und können überall bezogen werden.
Weitere Informationen zur Serie unter:
www.documenta.de und www.hatjecantz.de/documenta13
So fängt es an. Jemand macht eine Notiz.
Sagt man: »Jemand macht eine Notiz«, dann evoziert das eine bestimmte Situation. Wo wird geschrieben? Was ist der Anlass, eine solche Notiz zu verfassen? Wie sieht die Notiz aus? Ist es ein Wort? Eine Zeile? Eine Zeichnung? Macht man eine Notiz, dann situiert man sich. Sich zu situieren hat nicht allein damit zu tun, wo man sich befindet, sondern es steht gerade in Frage, worauf man hinaus will, wenn man – durch Sprache – Spuren von Einfällen, ihre Routen, die Erfahrungen, die ihnen inne wohnen, verbreiten will.
Man macht eine Notiz. Ein einfacher Ausdruck, der vom Schreiben handelt und zugleich auch von einem Subjekt spricht, das bereit ist, das Unsichere, alles, was jetzt noch nicht da ist, innerhalb einer achtsamen Gegenwart, zu fassen. Eine Notiz zu machen, heißt aufnehmen. Und wie es auch niemandem möglich ist, die Darmwände zu trainieren und so zu beherrschen, dass ausgewählt wird, welche Zuckerarten, Mineralstoffe, Vitamine oder Ballaststoffe aufgenommen werden, wenn man einen Apfel isst und welche nicht, so verhält es sich auch hier: Beim Verhältnis zu den Ereignissen, in die wir verwickelt sind, von denen wir lesen oder von denen wir von anderen hören. Oder bei den Erfahrungen, die wir machen oder den unzähligen Graden, in die sich unser Einfühlungsvermögen abstuft, vielleicht auch gerade dann, wenn wir eine Notiz verfassen; oder bei all den Texten, die wir lesen oder einfach nur betrachten ... Bei dieser Form der Aufnahme verteilt sich unser Funktionsmodus als handelnde Person und ihre Grenzen sind weder verbindlich noch festgelegt. Eine Notiz ist ein Etwas, das zu seinen »Feinden« nicht auf sichere Distanz geht, sondern begierig danach trachtet, Wege der Inklusion zu erschließen. Eine Notiz hofft.
Gestatte deinen Händen umherzuschweifen, lass sie machen ... und tu dasselbe mit deinen Augen und deinem Geist.
Im Vorfeld der Ausstellung im Sommer 2012 veröffentlicht die dOCUMENTA (13) gemeinsam mit dem Hatje Cantz Verlag die Serie von Notizbüchern 100 Notizen – 100 Gedanken, die aus Faksimiles von bestehenden Notizbüchern, Auftragsessays, Kollaborationen und Diskussionen bestehen.
Die Notizbücher sind in drei Formaten (A6, A5, B5) erhältlich und umfassen zwischen 16 und 48 Seiten. Zu den Autoren aus so unterschiedlichen Disziplinen wie Kunst, Wissenschaft, Philosophie und Psychologie, Anthropologie, Politologie, Literaturwissenschaft und Poesie gehören u.a. Ida Applebroog, Walter Benjamin und Nikola Doll, Jill Bennett, George Chan und Fernando García-Dory, Carolyn Christov-Bakargiev, Salvador Dalí und Ignacio Vidal-Folch, Dietmar Dath, Jimmie Durham, Nawal El Saadawi, Matias Faldbakken, Édouard Glissant und Hans Ulrich Obrist, Avery F. Gordon, Boris Groys, Daniel Heller-Roazen, Sonallah Ibrahim, David Link und Geoff Cox, Ada Lovelace und Joasia Krysa, Stephen Muecke, Ingo Niermann und Chus Martínez, Ana Prvacki und Irina Aristarkhova, Andrew Ross und Enrique Vila-Matas über Thomas Mann und Theodor W. Adorno.
Diese Serie wurde von der Künstlerischen Leiterin der dOCUMENTA (13), Carolyn Christov-Bakargiev, zusammen mit Chus Martínez, Leiterin der Abteilung und Mitglied der Agenten-Kerngruppe, in Auftrag gegeben und wird von der Leiterin der Publikationsabteilung, Bettina Funcke, herausgegeben. Die Serie 100 Notizen – 100 Gedanken wird an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeitpunkten vorgestellt; die Präsentationen werden begleitet von Diskussionsveranstaltungen über den Charakter und das Ziel dieses Publikationsprojekts. Einzelne Notizbücher oder die Subskription der gesamten Serie von 100 Notizbüchern können als gedruckte Ausgabe oder E-Book unter www.hatjecantz.de/documenta13 bestellt werden.
034: Ingo Niermann
Drill dich
Einführung: Chus Martínez
Der in Berlin lebende Autor Ingo Niermann setzt sich mit dem Thema »Drill« auseinander. In diesem Notebook proklamiert er den selbstbestimmten Drill als eine neue gesellschaftliche Doktrin und gibt praktische Anleitungen. Drill könnte nach einer Ära von geöffneten und übertretenen Grenzen der nächste Schritt sein: die Freiheit, sich selbst zu zwingen. Zu diesem Zweck kann der Leser an vom Autor vorgeschlagenen Aktionen teilnehmen, etwa »Join the U.S. Army«, bei der man sich als Nicht-Amerikaner der US-Armee andient, oder auch sich dafür entscheiden, ein Jahr zu leben, als sei es das letzte. Die Krönung ist der Drill Palace, nach Vorbild von Cedric Price’ unrealisiertem Fun Palace , in dem man an Drills teilnehmen, Drills entwickeln oder ihnen als Zuschauer beiwohnen kann. Mit einer Einführung von Chus Martínez.
Ingo Niermann (*1969) lebt als Autor in Berlin.
Chus Martínez (*1972) ist Mitglied der Agenten-Kerngruppe und Leiterin der Abteilung der dOCUMENTA (13).
Deutsch/Englisch
44 S., 5 Abb.,
10,5 x 14,8 cm, Broschur
€ 4,– [D], CHF 6,90
ISBN 978-3-7757-2883-6
Dezember 2011
E-Book
Ca. € 3,99 [D], CHF 6,90
ISBN 978-3-7757-3063-1
Januar 2012
035: Matias Faldbakken
SUCHE
Für SUCHE verwendete der Autor und Künstler Matias Faldbakken die Protokolle seiner verschiedenen Festplatten und extrahierte einen Teil der Verläufe seiner Google-Recherchen. Die Suchanfragen sind chronologisch nach den Daten abgedruckt, an denen sie in das Suchfeld eingegeben wurden. Die Texte beruhen überwiegend auf Bildrecherchen. Sie zeigen in vielerlei Hinsicht die sprachlichen Grundlagen der Bildproduktion des Künstlers: Sie sind teils Notizen, teils Recherche. Die Suchbegriff-Texte ähneln der Écriture automatique, einer unbewussten (oder zufälligen) Textproduktion. Sie ermöglichen dem Leser, einen Teil seines Arbeitsprozesses mitzuerleben und können als ein Querschnitt seines Denkens gelten. Die Texte stehen zwischen der Bild- und der Textproduktion des Künstlers und erscheinen hier als eine Form (konkreter) Poesie.
Matias Faldbakken (*1973) lebt und arbeitet als Künstler und Autor in Oslo.
Deutsch/Englisch
32 S., 2 Abb.,
10,5 x 14,8 cm, Broschur
€ 4,– [D], CHF 6,90
ISBN 978-3-7757-2884-3
Dezember 2011
E-Book
Ca. € 3,99 [D], CHF 6,90
ISBN 978-3-7757-3064-8
Januar 2012
036: Dietmar Dath
Mädchenschönschriftaufgabe
In seinem Notizbuch fängt der Schriftsteller und Journalist Dietmar Dath zehn persönliche Momente über die Kunst und das Leben ein. Es geht um Beziehungen zwischen Menschen, ihren Umgang miteinander, um Kommunikation, Freundschaft, Liebe, Kunst und Kritik. Am Ende verdichtet sich der anfänglich vom im Kühlschrank lebenden Mauswiesel niedergelegte Gedanke zur Erkenntnis: »Das Nichtfertigwerden blüht in der Kunst als eine Form des Gelingens, es bedingt keine Fehlschläge. Das liegt daran, dass die Kunst dazu da ist, Zwecke zu erfinden, nicht dazu, sie zu erreichen. Man feiert und bespricht die Eröffnung einer Ausstellung, über die Schließung schweigt man sich aus.«
Der Autor und Übersetzer Dietmar Dath (*1970) ist Redakteur bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung; er lebt in Frankfurt/Main, Freiburg und Leipzig.
Deutsch/Englisch
24 S., 6 Abb.,
14,8 x 21 cm, Broschur
€ 6,– [D], CHF 9,90
ISBN 978-3-7757-2885-0
Dezember 2011
E-Book
Ca. € 5,99 [D], CHF 9,90
ISBN 978-3-7757-3065-5
Januar 2012
037: David Link
Das Herz der Maschine
Einführung: Geoff Cox
In seiner Arbeit entwickelt David Link (scheinbar) interaktive Werke, die sich an den Schnittstellen von Kunst, Wissenschaft und Technologie bewegen. Für LoveLetters_1.0 hat Link einen der frühesten programmierbaren Rechner, den Ferranti Mark 1, originalgetreu nachgebaut und ein ebenso frühes Computerprogramm, 1952 an der University of Manchester von Christopher Strachey entwickelt, rekonstruiert. Der Rechner wirft unter Verwendung eines Zufallsgenerators entstandene Liebesbriefe aus. Anonym adressiert an eine »Süße Liebe« oder eine »Prachtente«, sprechen sie die Leser überraschend menschlich-zärtlich an. Geoff Cox beleuchtet in seiner Einführung die Frage, die bereits der scheinbar widersprüchliche Titel des Notizbuchs, Das Herz der Maschine, nahelegt, nämlich ob die Maschine die menschliche Fähigkeit zu denken und zu fühlen an sich gerissen habe.
David Link (*1971) ist Künstler und Medienarchäologe; er lebt und arbeitet in Köln.
Geoff Cox ist derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter am Digital Urban Living Research Center der Universität Aarhus, Dänemark.
Deutsch/Englisch
28 S., 13 Abb.,
17,6 x 25 cm, Broschur
€ 8,– [D], CHF 12,90
ISBN 978-3-7757-2886-7
Dezember 2011
E-Book
Ca. € 7,99 [D], CHF 12,90
ISBN 978-3-7757-3066-2
Januar 2012
038: Édouard Glissant & Hans Ulrich Obrist
Dieses Notebook ist eine Hommage des Kurators Hans Ulrich Obrist an den im letzten Jahr verstorbenen französischen Schriftsteller, Dichter und Philosophen Édouard Glissant (1928–2011). Glissant, einer der bedeutendsten Autoren der französischsprachigen Karibik und Wegbereiter des postkolonialen Denkens, machte aufmerksam auf »Möglichkeiten eines globalen Austauschs, die die Kultur nicht homogenisieren, sondern eine Differenz produzieren, aus der Neues entstehen kann«. Obrist begegnete Glissant, einer Empfehlung von Alighiero Boetti folgend, schon in den Anfängen seiner Arbeit als Kurator,und las seine Bücher, bevor er ihn später auch persönlich traf. Obrist entwirft ein facettenreiches Bild des Intellektuellen, indem er einige von dessen Schlüsselkonzepten – die Kreolisierung der Welt, das »archipelische Denken«, das Museum als Archipel sowie die Utopie – ausführt – Ideen, die ihren Niederschlag auch in persönlichen Widmungen, Notizen und Zeichnungen gefunden haben, mit denen Glissant die hier in einer Auswahl reproduzierten Titelseiten seiner Bücher versehen hat.
Édouard Glissant (1928–2011) war ein französischer Schriftsteller, Dichter und Philosoph.
Der Kurator und Kritiker Hans Ulrich Obrist (*1968) ist Co-Director, Exhibitions and Programmes und Director of International Projects an der Serpentine Gallery, London.
Deutsch/Englisch
24 S., 13 Abb.,
14,8 x 21 cm, Broschur
€ 6,– [D], CHF 9,90
ISBN 978-3-7757-2887-4
Dezember 2011
E-Book
Ca. € 5.99 [D], CHF 9.90
ISBN 978-3-7757-3067-9
Januar 2012
039: Salvador Dalí
Einführung: Ignacio Vidal-Folch
Die Angst vor dem Tod und der Wunsch nach Unsterblichkeit waren vorherrschende Themen in Dalís Leben: Nur neun Monate vor der Geburt des Künstlers starb sein älterer Bruder, der auch den Namen Salvador trug. Diese ausgeprägte Sensibilität verstärkte sich noch nach dem Spanischen Bürgerkrieg und dem Zweiten Weltkrieg. Dalís ursprünglicher Plan, sich nach dem Tod einfrieren zu lassen, wurde durch eine tiefgründige Faszination für die Wissenschaften ersetzt, insbesondere für die Entdeckung der DNA-Struktur, die für ihn die zentrale Komponente war, um Leben zu verstehen. Die hier abgedruckten, bisher unveröffentlichten Notizen Dalís enthalten Anekdoten über den Autor Stefan Zweig, der den Künstler mit Sigmund Freud bekannt machte. Außerdem ist ein mit Dalís handschriftlichen Notizen versehener Artikel aus der von ihm regelmäßig gelesenen Zeitschrift Scientific American abgebildet. In seiner Einführung schreibt Ignacio Vidal-Folch über Dalís Suche nach Unsterblichkeit und unterschiedliche Sichtweisen auf das Thema von Wissenschaftlern und Autoren wie Ray Kurzweil, Elias Canetti und Eugène Ionesco.
Salvador Dalí (1904–1989) war ein spanischer Künstler.
Der Journalist und Autor Ignacio Vidal-Folch (*1956) lebt in Barcelona.
Deutsch/Englisch
24 S., 13 Abb.,
17,6 x 25 cm, Broschur
€ 8,– [D], CHF 12,90
ISBN 978-3-7757-2888-1
Dezember 2011
E-Book
Ca. € 7,99 [D], CHF 12,90
ISBN 978-3-7757-3068-6
Januar 2012
040: Carolyn Christov-Bakargiev
Über die Zerstörung von Kunst – Oder Konflikt und Kunst, oder Trauma und die Kunst des Heilens
Carolyn Christov-Bakargiev reflektiert aus persönlicher wie historischer Sicht über Zerstörung und über Kunst sowie über die heilende Kraft, die Kunst potenziell haben kann. Sie führt uns durch eine Matrix von etymologischen, historischen, philosophischen, persönlichen und kunstgeschichtlichen Bezugspunkten und leitet den Leser von Melanie Kleins Gedanken über die dyadische Beziehung zwischen Mutter und Kind und Walter Benjamins Betrachtungen zu Klees Angelus Novus zu Objektstudien, beginnend bei Man Rays Metronomen, seinen Objects of Destruction , und Lee Millers Fotografien vom Ende des Zweiten Weltkrieges. Weiter geht es mit Gustav Metzgers „Auto-destructive Art“-Manifest, verbrannten Objekten aus dem Beirut National Museum und den gesprengten Buddhas von Bamiyan, denen der Bericht von Michael Petzet mit der Reaktion des ICOMOS auf die Zerstörung der Denkmäler folgt, zu Kunstwerken von Michael Rakowitz und Zeichnungen mit Gedichten von Anna Boghiguian. In einer Nachschrift widmet sich der Kunsthistoriker Dario Gamboni der Zerstörung von Kunstobjekten, dem Konzept des »Welterbes« sowie den rechtlichen Implikationen. Für Christov-Bakargiev ist »der Bereich der Kunst, der am Rand des Privaten und der Geschichte balanciert, zu einem Ort geworden, an dem man mit Erfahrungen am Rand des Anthropozentrischen, wo die Trümmer liegen, experimentieren […] kann«.
Carolyn Christov-Bakargiev (*1957) ist künstlerische Leiterin der dOCUMENTA (13).
Deutsch/Englisch
40 S., 26 Abb.,
14,8 x 21 cm, Broschur
Ca. € 6,– [D], CHF 9,90
ISBN 978-3-7757-2889-8
Dezember 2011
E-Book
Ca. € 5,99 [D], CHF 9,90
ISBN 978-3-7757-3069-3
Januar 2012
041: Avery F. Gordon
Notizen für den Breitenau-Raum von The Workhouse – ein Projekt von Ines Schaber und Avery Gordon
Die Künstlerin Ines Schaber hat Avery F. Gordon eingeladen, ab ihrem Projekt The Workhouse mitzuarbeiten. In diesem Notizbuch beschäftigt sich Gordon mit Breitenau, einem Benediktinerkloster aus dem 12. Jahrhundert, 20 Kilometer südlich von Kassel gelegen, das für unterschiedlichste Zwecke genutzt wurde und seit dem 19. Jahrhundert als Ort der Gefangenschaft und »Umerziehung« diente. 1874 wurde es zu einem Arbeitshaus, während des Nationalsozialismus zu einem Konzentrationslager, bis in die 1970er Jahre war es eine Besserungsanstalt für Mädchen, und heute ist es eine offene psychiatrische Wohn- und Therapieeinrichtung sowie eine Gedenkstätte, ein Museum und ein Forschungszentrum. Während eines gemeinsamen Besuchs mit der Künstlerin taucht Gordon mit der Hilfe des Mitgründers und Direktors der Gedenkstätte, Gunnar Richter, in die Geschichte Breitenaus ein, erinnert sich an seine Funktion als Ort des Freiheitsentzugs für »ungehorsame soziale Subjekte« und deren Ideen und entwickelt »eine Art Enzyklopädie des Häftlings«.
Avery F. Gordon ist Professorin für Soziologie an der University of California, Santa Barbara, und Visiting Faculty am Centre for Research Architecture, Goldsmiths College, an der University of London.
Deutsch/Englisch
28 S., 2 Abb.,
14,8 x 21 cm, Broschur
€ 6,– [D], CHF 9,90
ISBN 978-3-7757-2890-4
Dezember 2011
E-Book
Ca. € 5,99 [D], CHF 9,90
ISBN 978-3-7757-3070-9
Januar 2012
042: Ida Applebroog
Scripts
Die Künstlerin Ida Applebroog behandelt in verschiedensten Medien Themenfelder wie Machtkämpfe zwischen Geschlechtern und politischen Rollen sowie Fragen sexueller Identität. Die Publikation Scripts ist ein Faksimile von Ausschnitten aus ihrem privaten Notizbuch und enthält eine Sammlung an handschriftlichen Notizen, Storyboards und musikalischen Notationen. Unterstreichungen und zusätzliche Anmerkungen in verschiedenen Farben machen deutlich, dass die Künstlerin ihre Notizen mehrmals intensiv durchgearbeitet hat. Einige der Fragmente, die auf diesen Seiten zu lesen sind, lauten: »Unter allen dramatischen Ereignissen strömen stille Momente.«; »Jede Aufführung sollte mehr aus Stille als aus Worten bestehen.« oder »Jede Stille muss von Zeit zu Zeit von einem Geräusch unterbrochen werden.« Für Applebroog dienen die dargestellten Szenen als »Narrationsmodus« und »die Geschichten sind nicht als Wahrheiten gedacht; aber die Personen sind es einfach.« Mit wenigen Worten und kurzen Hinweisen entwickelt Applebroog ein Bühnenstück voll dramatischer Intensität, das sie gleichzeitig kommentiert, hinterfragt und interpretiert, wodurch dem Leser ein tiefer Einblick in ihre Arbeitsweise ermöglicht wird.
Ida Applebroog (*1929) ist Künstlerin und lebt in New York.
Englisch
28 S., 26 Abb.,
17,6 x 25 cm, Broschur
€ 8,– [D], CHF 12,90
ISBN 978-3-7757-2891-1
Dezember 2011
E-Book
Ca. € 7,99 [D], CHF 12,90
ISBN 978-3-7757-3071-6
Januar 2012
043: Ana Prvacki & Irina Aristarkhova
Das Begrüßungskomitee berichtet . . .
In diesem Notizbuch diskutieren die Künstlerin Ana Prvacki und die Wissenschaftlerin Irina Aristarkhova über das gesellschaftliche Konzept des Begrüßens sowie über die Gesten und die Ethik von Gastfreundschaft. Als Künstlerin mit rumänischen Wurzeln berichtet Prvacki von der Großherzigkeit ihrer Großmutter auch in schlechten Zeiten und ihr kindliches Fehlverhalten, als sie einem Gast, den sie nicht mochte, Schnee in die Stiefel steckte. Aus ihrer persönlichen Herangehensweise an Höflichkeitsregeln entwickelt Prvacki eine historische Übersicht über unterschiedliche künstlerische und politische Praktiken der Gastfreundlichkeit, beginnend bei Borats Fauxpas über das Singapore Kindness Movement bis zu Daniel Bozhkovs Training in Assertive Hospitality -Projekt. Aristarkhova fügt einen theoretischen Rahmen zur Geschichte und Ethik der Gastlichkeit hinzu, die von Immanuel Kant und seinem Konzept der »Zuvorkommenheit« bis hin zu leuchtenden Beispielen wie Gandhi, Mutter Theresa und Martin Luther King reicht. Die unterschiedlichen Einstellungen zur Höflichkeit werden immer wieder zu unangenehmen Situationen führen, aber wie Aristarkhova sagt, »es ist besser, mit Unterschieden umzugehen, als vorzugeben, dass wir alle genau gleich sind«.
Ana Prvacki (*1976) ist Künstlerin und lebt in Los Angeles und Singapur.
Irina Aristarkhova (*1969) unterrichtet sowohl Women’s Studies als auch Kunst an der Pennsylvania State University.
Deutsch/Englisch
24 S., 20 Abb.,
17,6 x 25 cm, Broschur
€ 8,– [D], CHF 12,90
ISBN 978-3-7757-2892-8
Dezember 2011
E-Book
Ca. € 7,99 [D], CHF 12,90
ISBN 978-3-7757-3072-3
Januar 2012
044: Andrew Ross
Der Exorzist und die Maschinen
Im Fokus der Texte des Kulturkritikers Andrew Ross, der einen alternativen Globalisierungsansatz verfolgt, stehen Themen wie die prekäre kognitive Arbeit, die Organisation von Arbeit sowie die urbane Gesellschaft. In seinem Notizbuch hinterfragt er den Preis für die permanente Steigerung von Effizienz und Produktivität und untersucht die Zusammenhänge zwischen der Selbstausbeutung im westlichen Wirtschaftraum und der Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft in Asien. Viele Freiberufler und Kreative verbringen den ganzen Tag vor ihren Laptops, elektronischen Notebooks, die ihnen das Arbeiten immer und überall ermöglichen, mit dem Trugschluss der Flexibilität und freien Zeiteinteilung. Die brutalen Arbeitsbedingungen, denen die Produzenten dieser Geräte unterworfen sind, verfolgt Ross beispielhaft anhand der taiwanesischen Firma Foxconn, dem zurzeit größten privaten Arbeitgeber in China, in der es zu einer Serie von Selbstmorden unter den meist jugendlichen Angestellten kam. Das wichtigste Werkzeug der nur vermeintlich freien, individuell bestimmten Arbeit im westlichen Neoliberalismus verdankt sich menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen in anderen Teilen der Erde.
Andrew Ross (*1956) ist Professor für Social and Cultural Analysis an der New York University.
Deutsch/Englisch
36 S., 2 Abb.,
10,5 x 14,8 cm, Broschur
€ 4,– [D], CHF 6,90
ISBN 978-3-7757-2893-5
Dezember 2011
E-Book
Ca. € 3,99 [D], CHF 6,90
ISBN 978-3-7757-3073-0
Januar 2012
045: Walter Benjamin
Pariser Passagen
Einführung: Nikola Doll
1927 begann Walter Benjamin anlässlich eines mehrmonatigen Paris-Aufenthalts mit seinen Überlegungen zu den Pariser Passagen, seinem ambitioniertesten, als Geschichtsphilosophie des 19. Jahrhunderts geplanten Buchprojekt. Aufgrund des mehrfach unterbrochenen Arbeitsprozesses und schließlich des Freitods Benjamins 1940 in Portbou auf der Flucht vor den deutschen Besatzern blieb das Projekt unvollendet und wurde posthum als Das Passagen-Werk veröffentlicht. Aus den Fragmenten ging unter anderem der Essay »Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit« (1935–1939) hervor. In ihrer Einführung zu einer Auswahl von handschriftlichen Notizen Benjamins verdeutlicht Nikola Doll den Versuch des Autors, »das Prinzip der Montage als erkenntnistheoretische Technik zu integrieren«. Dabei bilden farbige Verweissysteme, Schemata und Diagramme Leitlinien, die durch das Dickicht der Exzerpte und Zitate führen. Benjamins persönliches Farbcodierungssystem zeugt von seinem Versuch, Ordnung innerhalb der Konstellationen seiner Notizen zu schaffen, und von der Spannung zwischen dem Drang zur Struktur und dem Potenzial des offenen Feldes seiner Interessen.
Walter Benjamin (1892–1940) war Autor und Philosoph.
Nikola Doll (*1970) ist Kunsthistorikerin und Kuratorin.
Deutsch/Englisch
36 S., 26 Abb.,
17,6 x 25 cm, Broschur
€ 8,– [D], CHF 12,90
ISBN 978-3-7757-2894-2
Dezember 2011
E-Book
Ca. € 7,99 [D], CHF 12,90
ISBN 978-3-7757-3074-7
Januar 2012
046: Boris Groys
Google: Worte jenseits der Grammatik
In einer Zeit, in der der Austausch mit der Welt meist über das Internet erfolgt, wird dieser vorwiegend durch Vorgaben und Formate der Suchmaschine Google reguliert, die für den Philosophen und Medientheoretiker Boris Groys damit die traditionelle Rolle der Philosophie und Religion eingenommen hat. Philosophische Vorläufer für das Auflösen von Diskursen, die Emanzipation der Wörter von grammatikalischen Strukturen und damit ihre Gleichstellung, wie es von der »philosophischen Maschine« Google betrieben wird, reichen von Platon über den Strukturalismus de Saussures bis zur Dekonstruktion Derridas. Eine weitere Entsprechung findet die Entstehung kontextbefreiter Wortwolken in der Avantgarde-Kunst des 20. Jahrhunderts, speziell der Konzeptkunst der 1960er und 70er Jahre. Als eine der Folgen der radikalen Befreiung der Wörter benennt Groys den »Kampf um den Zugang zur Wahrheit als solcher – verstanden als die Gesamtsumme aller materiell existierenden Kontexte. Er ist ein Kampf um das utopische Ideal des freien Informationsflusses – der freien Wanderschaft befreiter Wörter durch die Gesamtheit des gesellschaftlichen Raums«.
Der Philosoph, Kunstkritiker und Medientheoretiker Boris Groys (*1947) ist Global Distinguished Professor an der Faculty of Arts and Science der New York University.
Deutsch/Englisch
36 S., 2 Abb.,
10,5 x 14,8 cm, Broschur
€ 4,– [D], CHF 6,90
ISBN 978-3-7757-2895-9
Dezember 2011
E-Book
Ca. € 3,99 [D], CHF 6,90
ISBN 978-3-7757-3075-4
Januar 2012
047: Sonallah Ibrahim
Zwei Romane und zwei Frauen
Der ägyptische Schriftsteller Sonallah Ibrahim gewährt in seinem Notizbuch einen Einblick in zwei seiner Romane, die in einem eher dokumentarischen Stil geschrieben sind, eine persönliche Geschichte mit dem politischen Umfeld verweben und Exzerpte von Zeitschriften und Ansprachen zitieren. Eine der Hauptfiguren, Dhat, muss in ihrem Leben Leid und Unglück ertragen, verursacht durch die politische Situation in ihrem Heimatland. Die andere, Warda, widmet ihr Leben der Befreiung der Menschheit. Ibrahim, der bekannt ist für seine radikalen Sichtweisen und seine offene Kritik, für die er während der 1960er Jahre in Ägypten im Gefängnis war, fragt sich, wie er mithilfe seiner konstruierten Charaktere aus dem heutigen politischen und sozialen Alltag Ägyptens entkommen kann. Ausgangspunkt des Notizbuchs ist die Betrachtung der ägyptischen Gesellschaft der späten 1970er und 1980er Jahre mit den Umbrüchen im Bereich der sozialen Gerechtigkeit sowie der Abwertung von Bildung und Kultur. Anhand der selbstreflexiven Auswertung seiner Arbeit untersucht Ibrahim Geschlechterrollen in der arabischen Gesellschaft und deutet an, wie die Zukunftshoffnungen der arabischen Länder durch das aktive Handeln von Frauen erfüllt werden könnten.
Sonallah Ibrahim (*1937) ist Schriftsteller und lebt in Kairo.
Deutsch/Englisch
20 S., 2 Abb.,
10,5 x 14,8 cm, Broschur
€ 4,– [D], CHF 6,90
ISBN 978-3-7757-2896-6
Dezember 2011
E-Book
Ca. € 3,99 [D], CHF 6,90
ISBN 978-3-7757-3076-1
Januar 2012
048: Nawal El Saadawi
Der Tag, an dem Mubarak der Prozess gemacht wurde
In einer selbstreflexiven Erzählung hinterfragt die ägyptische Autorin und Menschenrechtsaktivistin Nawal El Saadawi den Bedeutungsunterschied zwischen»Geburtsort« und »Heimatland« an einem kontroversen Ort wie dem zeitgenössischen Kairo. Sie verwebt persönliche Kindheitserinnerungen mit dem sich wandelnden politischen Klima in Ägypten und generationsübergreifenden gesellschaftlichen Beziehungen, wie sie sich aktuell entwickelt haben. Die kürzlich stattgefundene Gerichtsverhandlung gegen Mubarak und ihre persönlichen Wahrnehmungen und Gefühle, als sie diese im Fernsehen verfolgte, bilden die Kulisse für El Saadawis Notizbuchbeitrag. In einer literarischen Drehung setzt die Autorin den defekten Fernseher in ihrem Haus, der die Gerichtsverhandlung Mubaraks überträgt, als Metapher ein und beschreibt die verschiedenen präsidentschaftlichen Regime im Laufe der Zeit, wobei sie gleichzeitig ihre eigenen Wahrnehmungsverschiebungen von Schuldgefühlen hin zu »kindlicher, unerklärlicher Hoffnung« offen legt. El Saadawi zeigt die Gerichtsverhandlung als ein Schauspiel, das von den Medien und Drehbuchautoren gelenkt wird und erweitert die Erzählung durch Motive wie Herkunft, Zeit, Liebe und die Schwierigkeit, das eigene Lebenswerk durch Schreiben festzuhalten.
Nawal El Saadawi (*1931) ist eine ägyptische feministische Autorin, Romanschriftstellerin, Aktivistin, Ärztin und Psychiaterin; sie lebt in Kairo.
Deutsch/Englisch/Arabisch
24 S., 2 Abb.,
14,8 x 21 cm, Broschur
€ 6,– [D], CHF 9,90
ISBN 978-3-7757-2897-3
Dezember 2011
E-Book
Ca. € 5,99 [D], CHF 9,90
ISBN 978-3-7757-3077-8
Januar 2012
049: Jimmie Durham
Material
»Wir leben in einer von uns selbst konstruierten Welt […], und ich möchte diese Merkwürdigkeit unter dem Gesichtspunkt des Materials betrachten«, sagt der Künstler Jimmie Durham. In einer Ansammlung von Notizen, entstanden anlässlich einer Vorlesungsreihe, die er in Venedig gehalten hat, untersucht Durham unsere Beziehung zur Welt durch Material: handfeste Substanzen wie Holz, Eiche, Petroleum oder Plastik und abstrakte, theoretische Dinge wie Mathematik, Primzahlen und Rechnen. Sein Notizbuch haucht dem Gedanken Leben ein, dass sich »unsere Kenntnis der Welt von der Art herleitet, wie wir konstruiert sind. Wir bauen die Welt so auf, wie wir aufgebaut sind«. Er führt die Leser mit dem Fokus auf Holz und Petroleum von der Bebauungsgeschichte Venedigs über eine Skulptur mit eingebautem Fehler bis zu der Tatsache, dass das Gewebe von Fischen mit so viel Plastik gefüllt ist, dass ein befreundeter Wissenschaftler diese Tiere nicht mehr isst.
Jimmie Durham (*1940) ist Künstler, politischer Aktivist und Autor; er lebt in Berlin und Rom.
Deutsch/Englisch
24 S., 5 Abb.,
14,8 x 21 cm, Broschur
€ 6,– [D], CHF 9,90
ISBN 978-3-7757-2898-0
Dezember 2011
E-Book
Ca. € 5,99 [D], CHF 9,90
ISBN 978-3-7757-3078-5
Januar 2012
050: Thomas Mann & Theodor W. Adorno
Ein Austausch
Introduction: Enrique Vila-Matas
Während ihres Exils auf der Flucht vor den Nationalsozialisten entfaltete sich ein intensiver Austausch zwischen dem Schriftsteller Thomas Mann und dem vierzig Jahre jüngeren Philosophen und Musiktheoretiker Theodor W. Adorno. Die beiden hier abgedruckten Briefe von Mann an Adorno, von 1943 und 1945, stehen im Zusammenhang mit Manns Doktor Faustus. Adorno diente als sein Berater für die musikwissenschaftlichen und -theoretischen Fragestellungen, insbesondere in Bezug auf die von Arnold Schönberg begründete Zwölftonmusik, die Mann in seinem Roman verwertete – ohne allerdings deren Urheber zu erwähnen. Dies führte zum Plagiatsvorwurf seitens Schönbergs, dessen Geschichte der Romanautor Enrique Vila-Matas in seiner Einführung erzählt. Mann reagierte auf den Vorwurf mit Unverständnis, hielt er doch das von ihm in dem späteren der beiden Briefe ausführlich erläuterte Montageprinzip im Sinne einer Appropriation ohne Kenntlichmachung der Quelle, wenn auch für »vielleicht anstößig«, letztlich für zulässig.
Thomas Mann (1875–1955) war Schriftsteller und Theodor W. Adorno (1903–1969) Soziologe und Philosoph.
Der Schriftsteller Enrique Vila-Matas (*1948) lebt in Barcelona.
Deutsch/Englisch
44 S., 27 Abb.,
14,8 x 21 cm, Broschur
€ 6,– [D], CHF 9,90
ISBN 978-3-7757-2899-7
Dezember 2011
E-Book
Ca. € 5,99 [D], CHF 9,90
ISBN 978-3-7757-3079-2
Januar 2012
051: George Chan
Traumfarmen
Introduction: Fernando García-Dory
Zeit seines Lebens arbeitete George Chan, der Vater des »integrated farming«, mit Bauern aus der ganzen Welt zusammen und suchte nach einer Formel, um »Abfall in Wohlstand« zu verwandeln. Er kombinierte ihr altes Wissen mit neuen Techniken und erarbeitete eine Theorie, die auf einem Kreislauf und nachhaltiger Wiederverwertung basiert, in der Landwirtschaft ohne Eingangsenergie und ohne Abfallausstoß existieren kann – das Integrated Farming and Waste Management System (Integriertes Land- und Abfallwirtschaftssystem). Für die sogenannten Traumfarmen wurde ein nachhaltiger Kreislauf entwickelt, bei dem Material und Energie verschiedene Stufen durchlaufen, etwa durch die Verwendung des Kots von Hühnern als Dünger für die Futterpflanzen, was zu einer Steigerung der Ernte und des Ertrages führt. Chan ist ein Pionier im Kampf für Umweltfreundlichkeit und biologische Landwirtschaft, aber da sich seine revolutionäre Methode von standortbezogener Forschung und limitiertem Austausch ableitet, ist sie leider bis heute relativ unbekannt geblieben. Dieses Notizbuch sammelt die Hauptideen dieses engagierten Denkers in Form von Zeichnungen, Diagrammen, Notizen und Fotografien, eingeführt von Fernando García-Dory, der diese Dokumente in enger Abstimmung mit Chan zusammengestellt hat.
George Chan (*1923) ist ein Umweltingenieur.
Fernando García-Dory (*1978) ist Künstler und Agrarökologe und lebt zwischen Madrid, Berlin und den Bergen Nordspaniens.
Deutsch/Englisch
36 S., 55 Abb.,
Ca. 14,8 x 21 cm, Broschur
Ca. € 6,– [D], CHF 9,90
ISBN 978-3-7757-2900-0
Dezember 2011
E-Book
Ca. € 5,99 [D], CHF 9,90
ISBN 978-3-7757-3080-8
Januar 2012
052: Daniel Heller-Roazen
Die Geheimnisse des Al-Jāḥiẓ
In seinem Notizbuch wirft der Philosoph und Schriftsteller Daniel Heller-Roazen die Frage auf, »ob […] die Sprache etwas ihr Eigenes, in allem Gesagten Verstecktes birgt«. Mit meisterhafter Beherrschung der Sprache und ihrer rätselhaft verschlüsselten Natur taucht er in fundamentale Fragen und das Mysterium des gesprochenen Wortes und des »Textes« selbst ein. Heller-Roazen bezieht sich auf den Denker Al-Jāḥiẓ aus dem 9. Jahrhundert und dessen Überlegungen zur Vermeidung des Verrats von Geheimnissen. Um sie zu bewahren, müsse man zwei Dinge beherrschen: erstens, nicht zur falschen Zeit zu sprechen, zweitens, ein Geheimnis gerade dadurch nicht zu verraten, dass man es verbreitet. Ein Geheimnis hat Einfluss auf die Organe und das ganze körperliche Dasein, hauptsächlich die Zunge und den Brustkorb, und in Al-Jāḥiẓ’ Ausführungen kommt das Leben des Geheimnisses zum Vorschein: wie es durch den Körper wandert, in jeder Bewegung und Geste, etwa im Glanz des Gesichts des Geheimnisträgers, sichtbar wird, und wie es, wenn es dem Mund entfleucht und nur von einem einzigen Ohr gehört wird, nicht länger ein Geheimnis ist, sondern sich zu etwas anderem wandelt: einem öffentlichen Skandal, persönlicher Scham oder bestenfalls zu einer anderen Form von Diskurs: Information.
Daniel Heller-Roazen (*1974) ist Professor der Vergleichenden Literaturwissenschaft an der Princeton University.
Deutsch/Englisch
24 S., 2 Abb.,
10,5 x 14,8 cm, Broschur
€ 4,– [D], CHF 6,90
ISBN 978-3-7757-2901-7
Dezember 2011
E-Book
Ca. € 3,99 [D], CHF 6,90
ISBN 978-3-7757-3081-5
Januar 2012
053: Jill Bennett
Leben im Anthropozän
Das Leben im Anthropozän, dem aktuellen Erdzeitalter, das von den Aktivitäten der Menschen geprägt ist, ist Thema des Notizbuches von Jill Bennett. Der aus der Geologie abgeleitete Begriff Anthropozän steht für eine Ära, die mit der Industrialisierung einsetzt und somit eine verschwindend kurze Zeitspanne von 250 Jahren abdeckt, in der aber ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat. Dessen Implikationen rufen einigen Widerstand hervor, der sich beispielsweise in der Leugnung des vom Menschen verursachten Klimawandels, der ein entscheidendes Merkmal des Anthropozäns darstellt, äußert. Der umfassende Wandel der Weltsicht, der Auswirkungen darauf hat, wie wir essen, einkaufen und uns fortbewegen, bietet jedoch eine Chance für Neuerungen in den sozio-ökologischen Systemen, wenn das ökologische Denken Einfluss auf die Arbeitsweise erhält und in eine transdisziplinäre Revolution mündet. Beispiele für transdisziplinäres Vorgehen nennt Bennett u. a. aus dem Bereich der Kunst, so auch die Arbeit Public Smog (2004–fortlaufend) von Amy Balkin, die die Erdatmosphäre einbezieht.
Jill Bennett arbeitet als Autorin, Wissenschaftlerin und Kulturkritikerin am National Institute for Experimental Arts, Sydney.
Deutsch/Englisch
36 S., 3 Abb.,
10,5 x 14,8 cm, Broschur
€ 4,– [D], CHF 6,90
ISBN 978-3-7757-2902-4
Dezember 2011
E-Book
Ca. € 3,99 [D], CHF 6,90
ISBN 978-3-7757-3082-2
Januar 2012
054: Stephen Muecke
Butcher Joe
In seinem Notebook beschreibt Stephen Muecke die Werke des Aborgine-Künstlers Butcher Joe aus Goolarabooloo, der das Hauptgedankengut seiner Kultur in seinen Zeichnungen veranschaulichte, die hier reproduziert sind. Auf den Werken sind Orte abgebildet, an denen die Toten die Lebenden besuchen, Ereignisse an der Schwelle zwischen Wachen und Schlafen: Legenden der Traumzeit, die erklären, wie alles entstanden ist, und die die Regeln begründen, nach denen die Aborigines leben. Tanzende, jagende oder arbeitende Menschen, Geister, Tiere und Skelette sind zu sehen – einzelne Szenen aus der Geschichte, teilweise Übersetzungen visueller und akustischer Erinnerungen, in der Geister zu Menschen und Menschen zu Tieren werden können. Als Porträts einer bestimmten indigenen australischen Ästhetik liefern die Zeichnungen und der beschreibende Text dem Leser in diesem Notizbuch einen persönlichen Einblick in die Mythenwelt der australischen Ureinwohner, in der alles, seien es Tiere, Menschen oder Pflanzen, in seinem Transformationspotenzial zu betrachten ist.
Butcher Joe Nangan (1902–1989) war ein Künstler aus Broome, Westaustralien.
Stephen Muecke (*1951) lebt als Autor in Sydney.
Deutsch/Englisch
28 S., 20 Abb.,
17,6 x 25 cm, Broschur
€ 8,– [D], CHF 12,90
ISBN 978-3-7757-2903-1
Dezember 2011
E-Book
Ca. € 7,99 [D], CHF 12,90
ISBN 978-3-7757-3083-9
Januar 2012
055: Ada Lovelace
Einführung: Joasia Krysa
Die englische Schriftstellerin Augusta Ada King, Countess of Lovelace, Tochter Lord Byrons, entwickelte bereits in ihrer Jugend ein tiefes Interesse für die Mathematik, insbesondere für Charles Babbages Arbeit an der Analytical Engine (Analytischen Maschine). In diesem Notizbuch findet sich, eingeführt von Joasia Krysa, die vollständige Reproduktion ihrer berühmten »Anmerkung G«, eine aus einer ganzen Reihe von Anmerkungen, mit denen sie ihre Übersetzung eines Textes von Luigi Federico Menebrae über Babbages Recherchen kommentierte. Die Anmerkung G enthält einen Algorithmus, eine Art Software, die Babbages Maschine – die zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht existierte – in die Lage versetzen sollte, bestimmte Rechenprozesse durchzuführen, und die gemeinhin als erstes Computerprogramm gilt. Während Lovelace in der Anmerkung G Zweifel an der Fähigkeit eines Computers, »künstliche Intelligenz zu entwickeln, äußert, sieht sie an anderer Stelle voraus, dass die Tätigkeit der Maschine über das reine Rechnen hinausgehen könnte. In ihrem Denken gelang es ihr, »den wissenschaftlichen Rationalismus mit einer subjektiven Vorstellungskraft zu verbinden«. Die Anmerkung G wird ergänzt durch ausgewählte Briefe aus Lovelaces Korrespondenz mit Babbage sowie ihr Sonett »The Rainbow«.
Ada Lovelace (1815–1852) war eine englische Schriftstellerin.
Joasia Krysa is a Kuratorin, Wissenschaftlerin und Agentin der dOCUMENTA (13).
Deutsch/Englisch
36 S., 13 Abb.,
17,6 x 25 cm, Broschur
€ 8,– [D], CHF 12,90
ISBN 978-3-7757-2904-8
Dezember 2011
E-Book
Ca. € 7,99 [D], CHF 12,90
ISBN 978-3-7757-3084-6
Januar 2012 |