Vor ein paar Wochen wartete ich auf der Händlerseite des Münstermarktes an einem Gemüsestand darauf, bedient zu werden. Vor mir eine junge Familie, der Sohn vielleicht sieben Jahre alt. Er stand direkt vor den italienischen Kirschtomaten, die eine fantastische Farbe hatten, und ein hervorragendes Aroma, wie ich vom Probieren am Vortag wusste. Auch dem Jungen vor mir gestattete die Marktfrau, die Kirschtomaten zu versuchen. Er studierte den Korb gründlich, entschied sich für eine ganz bestimmte Tomate, nahm sie vorsichtig in die Hand und steckte sie in den Mund. Er kaute bedächtig, schmeckte, und nickte dann verständig. „Ja, die ist gut, aber die in unserem Garten schmecken viel besser!“ sagte er selbstbewusst. Die Händlerin lachte und antwortete, dass eine Tomate, die eine lange Reise hinter sich hätte natürlich nie so gut schmecken könnte, wie eine frisch im Garten gepflückte.
Ich war überrascht und erfreut, dass ein Kind so selbstsicher bei der Verkostung eines Gemüses sein, und dann ein entschiedenes Urteil fällen konnte. Meine Erfahrung ist eher, dass heute viele Menschen glauben, keine Zeit mehr für Kochen und gemeinsam Essen zu haben. Und so wachsen Kinder auf, die das gar nicht mehr kennen – eine regelmäßige Mahlzeit im Kreis der Familie oder im Kreis der Freunde. Unterwegs schnell ein Döner gegriffen, die Hefeschnecke in der Straßenbahn gegessen, und das nicht ausnahmsweise, sondern ganz oft. Welches Kind weiß denn heute, wie Mohrrüben wachsen, oder dass Erbsen aus der Schale gepult werden, und nicht aus der Dose?
Abhilfe schaffen möchte hier das Buch „Gartenland in Kinderhand“.
„Der Geschmack der Kindheit ist es, den wir nie wieder vergessen“. Dies stellt Herausgeber Eckart Witzigmann seinen Betrachtungen voran und es wirkt wie ein Leitsatz für das ganze Buch. Im ersten Teil werden einige Ergebnisse des Projektes „Gartenland in Kinderhand“ geschildert. Über die Baden-Württemberg-Stiftung und die Stiftung Kinderland erhielten Kitas im Genießerländle nach einem Wettbewerb Zuwendungen für das Anlegen eines eigenen Gartens. Die eigentlichen Gestalterinnen waren dann jeweils die Erzieherinnen in den Kitas und natürlich die Kinder. Ziel dieses Projektes war, Kindern die Natur anhand eines eigenen Gartens wieder nahe zu bringen, sie erleben zu lassen, wie selbst gesäte Pflanzen wachsen, und gedeihen, und welcher Pflege sie bedürfen bevor man am Ende eine knallrote Tomate oder einen dicken Kürbis ernten darf. Jetzt kann man nachlesen, was daraus geworden ist. Wie ein roter Faden zieht sich dabei durch alle Beispiele die Freude: die Freude am Planen, denn die Kinder durften bestimmen, was angebaut wird. Die Freude am gemeinsamen Bauen, denn die Eltern, Großeltern und Nachbarn halfen mit. Die Freude, den Pflanzen beim Wachsen zuzuschauen, die Freude am Ernten und dann – die Freude am Zubereiten und Essen.
Dass den Machern des Buches und natürlich des Projektes diese Freude ganz wichtig ist, findet sich ebenfalls in den Beiträgen der Köche wieder, die sich - im Anschluss an ein Zwischenkapitel mit den ersten Tipps für das Anlegen eines Hochbeetes - an die kulinarischen Freuden ihrer Kindheit erinnern. Und das bedeutete fast immer auch: gemeinsam essen. Dazu steuern die Profis noch jeweils ein Rezept aus ihrer Küche bei, natürlich mit den Zutaten, die sich im Kinder-Garten anpflanzen und ernten lassen. Dass nun alle Rezepte geeignet seien, wie auf dem Bucheinband angekündigt, auch in Kindergärten und Schulen zubereitet zu werden, wage ich zu bezweifeln. Welcher Kindergarten hält schon Fleur de Sel und Rauchöl vor, oder ist mit Kokotten von 4 cm Durchmesser ausgestattet. Da ist eine Kürbissuppe und die Kartoffel-Karottensuppe mit Schäufele, oder Fleischküchle mit hausgemachten Pommes Frites, sowie der Apfelpfannkuchen „Erbprinz“ wohl paktikabler. Die etwas komplexeren Rezepte bieten sich dann schon eher für eine Familienkochsause am Sonntag an.
Insgesamt ein schönes Buch, in Vorworten begleitet von Charles Prince of Wales und Carlo Petrini, reich bebildert, und zweifellos inspirierend für alle, die das Abenteuer „Gartenland in Kinderhand“ selbst angehen möchten.
Hampp Verlag 2011, EUR 19,80
ISBN 978-3-942561-11-2 |