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Ausstellungstipp: Volker Kriegel
Caricatura Museum Frankfurt – Museum für Komische Kunst
bis zum 20. Januar 2019

Volker Kriegel war ein wahres Multitalent. Den meisten als begnadeter Musiker bekannt, schuf er neben zahlreichen Büchern und Artikeln ein umfangreiches zeichnerisches Werk, dem das Caricatura Museum Frankfurt eine große Sonderausstellung widmet. Am 24. Dezember 2018 wäre Volker Kriegel 75 Jahre alt geworden.

Heiligabend 1943 wurde Volker Kriegel in Darmstadt geboren, aufgewachsen ist er in Wiesbaden. Schon mit 13 Jahren lernte er autodidaktisch Gitarre und wurde noch als Oberschüler zum Besten Nachwuchsgitarristen beim deutschen Amateur-Jazz-Festival in Düsseldorf gekürt. Parallel dazu erschienen seine ersten Cartoons in der Schülerzeitung Revue. Nach dem Abitur begann Kriegel an der Universität Frankfurt ein Soziologie- und Philosophiestudium bei Theodor W. Adorno, das er nach dem Vordiplom beendete. Laut eigener Aussage diente das Studium mehr einer selbstgewährten Fristverlängerung, sprich dem Versuch, die anstehende Berufswahl noch ein bisschen hinauszuschieben. Seine Zeit in Frankfurt ebnete ihm seine berufliche Zukunft, nicht so sehr durch die kurze akademische Laufbahn, sondern aufgrund der Kontakte, die Kriegel in dieser Zeit knüpfte: Er machte im Frankfurter Jazzkeller Bekanntschaft mit der hiesigen Jazz-Szene rund um Posaunist Albert Mangelsdorff und Saxophonist Emil Mangelsdorff. Es kam zu Radioaufnahmen mit eigenem Trio und Quartett und zu Plattenaufnahmen mit Emil Mangelsdorff, Saxophonist Klaus Doldinger und Pianist Ingfried Hoffmann. 1968 erschien Kriegels erste Schallplatte unter eigenem Namen („With A Little Help From My Friends“). Volker Kriegel selbst bezeichnete sich rückwirkend als Berufsmusiker seit 1969. Bis 1972 war er Mitglied des Dave Pike Sets, danach Leiter eigener Gruppen (Spectrum, Mild Maniac Orchestra etc.) und war Gründungsmitglied des United Jazz + Rock Ensembles.

Zeitgleich veröffentlicht Volker Kriegel regelmäßig in der Wochenzeitschrift Publik Cartoons. „Männchen malen, Jazz spielen, und sogar davon leben zu können – wer hätte das gedacht?! – Wow“ fasste er später sein Schaffen zusammen.

Mit seinem ganz eigenen Musik-Stil feierte er über Jahrzehnte hinweg große Erfolge mit zahlreichen Kompositionen, Plattenaufnahmen, Konzerten und weltweiten Tourneen. Volker Kriegel wurde zu Deutschlands Jazz-Gitarristen Nummer eins und galt als der Pionier des Jazz-Rock in Europa.

Anfang der 1980er wandte sich Kriegel vermehrt dem Zeichnen und Schreiben zu und besann sich auf eine, wie er es nannte, „leisere, stillere Variante des Erfindens“. Seine sich intensivierende Karriere als Cartoonist, Illustrator, Rundfunkautor, Dokumentarfilmer, Übersetzer, Erzähler und Dichter begann: Mit dem musikalischen Märchen Der Rock´n´Roll-König und dem Cartoon-Buch Hallo und andere wahren Geschichten erschienen 1982 seine ersten zwei Bücher. In jener Zeit begann auch die lange und fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Züricher Haffmanns-Verlag: Dort veröffentlichte Volker Kriegel regelmäßig im Literaturmagazin Der Rabe und illustrierte u.a. Bücher und Buchcover von Gustave Flaubert, Heinrich Heine, Julian Barnes, David Lodge, Gerhard Polt und Roger Willemsen. Einige der von ihm illustrierten Werke übersetze Volker Kriegel auch selber, so bspw. „Ein Weihnachtsmärchen“ von Charles Dickens (1994). Neben seinen Buchprojekten veröffentlichte Volker Kriegel Cartoons und Illustrationen u.a. in der F.A.Z., der Süddeutschen Zeitung und der Neuen Zürcher Zeitung.

1999 erschien die weltweit verlegte und in mehrere Sprachen übersetzte weihnachtliche Kindergeschichte „Olaf, der Elch“, die Folgebände „Olaf hebt ab“ und „Olaf taucht ab“ in den Jahren 2000 und 2002. Im gleichen Jahr veröffentlichte Kriegel „Erwin mit der Tröte“, wie schon auch „Der Rock’n’Roll-König“ eine humorvolle Verarbeitung seiner eigenen Erfahrungen mit dem Musikbusiness. Sein letztes Projekt folgte im Jahr 2003: die Illustration von Roger Willemsens „Karneval der Tiere“.

Am 14. Juni 2003 verstarb Volker Kriegel im Alter von 59 Jahren im spanischen San Sebastián.

Seit 1993 gab es diverse Ausstellungen in Deutschland und der Schweiz, u.a. 1998 im Wilhelm Busch – Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst in Hannover, welches seit 2005 den zeichnerischen Nachlass Volker Kriegels verwaltet.

DIE AUSSTELLUNG

Das Caricatura Museum Frankfurt zeigt in der umfangreichen Sonderausstellung das facettenreiche zeichnerische Werk von Volker Kriegel. Im Laufe der Jahre entstanden unzählige Karikaturen, Cartoons, Bildgeschichten und Buchcover. Meist malte Kriegel mit Tusche, manchmal blieb das Blatt schwarz-weiß, oft wurde aber auch bunt mit Aquarell koloriert. Er bediente sich unterschiedlichen Themen wie komische Alltagssituationen, Essen, Trinken und natürlich Musik, Kunst und Philosophie. Seine zeichnerische Qualität ist in mehr als 300 Originalen zu bewundern.

Dabei konzentriert sich die Ausstellung zum einen auf Kriegels Cartoons: Präsentiert werden alle Originale aus dem ersten Cartoon-Buch „Hallo und andere wahre Geschichten“ aus dem Jahr 1982 und die wunderbare Sammlung an Hunde-Cartoons, die als „Kriegels Kleine Hunde-Kunde“ 1986 erschienen sind (übrigens mit einem Vorwort von Robert Gernhardt). Ebenfalls gezeigt werden Cartoons zu dem beim Genussmenschen Kriegel zentralen Thema Essen und Trinken: In diversen Gemeinschaftsprojekten mit Kriegels Freunden, dem Sternekoch Vincent Klink und dem Literaturwissenschaftler Stephan Opitz entstand eine Fülle an kulinarischen Karikaturen (u.a. für die Kolumne „Geschmackssache“). Eine Auswahl dieser Blätter ist in der Ausstellung zu sehen, ebenso wie einige von Kriegels wunderbaren Bierbildern. Daneben versammelt die Frankfurter Schau weitere Cartoons und Karikaturen aus den verschiedensten Zusammenhängen, darunter verschiedene Geistesgrößen wie Theodor W. Adorno in ungewohnten Situationen, Portraits von seinen Musiker-Kollegen und eine Serie zum Thema „Körpersprache und Fußball“.
Das gängige Cartoon-Format völlig gesprengt hatte Kriegel mit einem Projekt, woran er 1993 bis 1998 arbeitete und dessen Ergebnis ebenfalls ausgestellt ist: Eine Papierrolle, an der er während fünf Jahren als eine Art Entspannungsübung während dem Komponieren fortlaufend zeichnete, und die zum Schluss eine Länge von über 6 Metern erreichte.

Neben den Cartoons sind ein weiterer wichtiger Aspekt aus Kriegels zeichnerischem Schaffen seine Illustrationen: Das Caricatura Museum präsentiert neben vielen Coverzeichnungen für den Haffmans-Verlag das letzte von Volker Kriegel vollendete Projekt, seine Tier-Bilder zu Roger Willemsens „Karneval der Tiere“ (2003), wie auch Kriegels Illustrationen für die Büchergilde Gutenberg zu Alphonse Daudets „Das Geheimnis von Maître Cornille“ und weitere Illustrationsprojekte für diverse Bücher. Hervorzuheben sind dabei im Frankfurter Kontext vor allem Kriegels Zeichnungen für die Weihnachtsgeschichte „Erna, der Baum nadelt!“ aus der Feder von Robert Gernhardt, Bernd Eilert und Pit Knorr, die im Caricatura Museum natürlich komplett ausgestellt werden.

Ein dritter Schwerpunkt der Ausstellung sind Volker Kriegels Geschichten: Die Ausstellung zeigt die schönsten davon, u.a. die Bilder aus Kriegels allerersten Buch „Der Rock’n’Roll-König“. Darin wird die hinreißende Geschichte eines Königs, der aus Liebe zum Rock´n´Roll und zu einer schönen Müllerstochter die Republik ausruft, erzählt. Daneben sind die Originalzeichnungen zu „Olaf hebt ab“, einer Geschichte mit dem wohl berühmtesten Elch der Kinderbuchszene, zu sehen: Olaf, der Elch, wird mit einem gigantischen Geweih geboren
und eckt als Außenseiter-Elch ständig irgendwo an. Eines Tages geschieht Folgenschweres: Olaf bricht sich seine rechte Geweihschaufel ab. Davon lässt er sich allerdings nicht unterkriegen und macht das Beste daraus. Bei seiner Lieblingsbeschäftigung, Autofahrer durch plötzliches Auftauchen am Straßenrand zu erschrecken, trifft er auf einen einäugigen Weihnachtsmann. Sie werden beste Freunde und erleben einiges an Abenteuern, u.a. den Traum vom Fliegen.

Zusätzlich zu den klassischen Zeichnungen beleuchtet die Ausstellung auch andere Aspekte von Kriegels Schaffen: Volker Kriegel als Bildhauer mit seinen Karikaturen der dritten Dimension in Form von Fimo-Figurinen von Freunden und Wegbegleitern, darunter auch F. W. Bernstein und Robert Gernhardt; Volker Kriegel als Essayist mit einem sehr amüsanten Text, warum Adorno keinen Jazz mag (mit dem entsprechenden Cartoon dazu) und nicht zuletzt Volker Kriegel als Redakteur und Filmemacher in Form von Auszügen aus Fernsehbeiträgen, Dokumentar- und Trickfilm.

Die Exponate sind zum größten Teil freundliche Leihgaben von Ev Kriegel, Wiesbaden, und von Wilhelm Busch - Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst, Hannover und der Bundesrepublik Deutschland, bei denen wir uns ganz herzlich für die Zusammenarbeit bedanken.

Caricatura Museum Frankfurt
Museum für Komische Kunst, Weckmarkt 17, 60311 Frankfurt am Main
Öffnungszeiten: Di-So 11-18 Uhr, Mi 11-21 Uhr, Mo geschlossen
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Eintrag vom: 01.11.2018  




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