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Kirche feiert Reformation im überfüllten Theater
"ICH STEH' DAZU" - HALTUNG UND BEKENNTNIS SIND GEFRAGT

Freiburg. Das gab's die letzten zwanzig Jahre nicht und vielleicht auch nicht die letzten zweihundert Jahre. Die Evangelische Kirche feierte ihren Reformationsgottesdienst, der völlig überfüllt war. Man war schon ins Theater ausgewichen, dennoch reichte der Platz nicht. Von den rund 1000 Teilnehmenden konnten einige nur stehend den Gottesdienst verfolgen. Wegen Überfüllung kamen etwa 130 Besucher nicht mehr in das Große Haus hinein. Für etliche gab es alternativ die Stadtführung „Durch das evangelische Freiburg“. Mit dem Gottesdienst unter dem Titel „Ich steh' dazu“ gedachten die Protestanten des Beginns der Reformation vor 500 Jahren.

Neben Stadtdekan Markus Engelhardt, weiteren Pfarrerinnen und Pfarrern sowie ehrenamtlich in der Kirche tätigen wirkte auch der katholische Dompfarrer Wolfgang Gaber bei der Schriftlesung und den Fürbitten mit.
Beteiligt waren auch ein eigens zusammengestellter Bezirkssängerchor sowie ein Bezirksposaunenchor unter der Gesamtleitung von Bezirkskantorin Hae-Kyung Jung. Die integrative Theatergruppe „Die Schattenspringer“ interpretierte auf ihre eindrückliche Weise den Predigttext aus dem Matthäus-Evangelium (Mt. 10, 26b–33).
Die Predigt wurde in drei Teilen gehalten. Zunächst setzte sich die Freiburger Schriftstellerin Annette Pehnt mit der Frage nach dem Wort und dem Sprechen auseinander. „Ich fürchte mich vor der finsteren Zeit“ sagte Pehnt. Doch zugleich betonte sie: „Der heutige Text erinnert mich daran, dass wir anders sprechen können.“ Sprechen sei eine Haltung und sei Handeln in der Welt.

Stadtpfarrerin Gabriele Hartlieb rief den Gottesdienstteilnehmern zu: „Unsere Welt braucht unser Bekenntnis – Ihres und meines. Das Bekenntnis all derer, denen das Ganze wichtig ist.“ Wer sich zu Jesus bekenne, habe etwas erfahren, nachgedacht und lebe in Resonanz. „Wer ‚Jesus‘ sagt, kann nicht schweigen von Gerechtigkeit, Liebe und Gemeinschaft, von Gesundsein und Sattsein für alle, vom Kreuz und von Gott, vom Geist, der lebendig macht, vom Vertrauen in die Zukunft.“

Im dritten Predigtteil erläuterte Stadtdekan Engelhardt Luthers Anliegen. „Luther und seine Leute haben die Kirche als angstfreien Raum gewollt.“ Er verwies auf die jüngste deutsche Geschichte. Zwar sei die evangelische Kirche in der ehemaligen DDR zunächst eher kümmerlich in ihrer äußerlichen Gestalt dahergekommen, habe dann aber einen Raum der Angstfreiheit eröffnet. „Wo Gottes Wort laut wird und zu ihm gebetet wird, das ist ein Beth-El, ein Gotteshaus“ zitiert der Stadtdekan den Reformator. So sei an diesem Morgen auch das Stadttheater ein Beth-El geworden.

Beim anschließenden Empfang überbrachten sieben Freiburger Prominente ihre Geburtstagsglückwünsche der evangelischen Kirche. Unter anderen wünschte Oberbürgermeister Dieter Salomon, dass es der Kirche gelingt „sich des eigenen Verstandes zu bedienen“, damit Nächstenliebe gelinge. Uni-Rektor Hans-Jochen Schiewer setzte ganz auf die Predigt als wesentliches Merkmal des Protestantismus. Dieses „lebendige Gotteswort“ sei wichtiger als liturgisches Handeln. Er wünschte, dass die Kirche in ihrem Reden und Handeln „mutig, konsequent und standhaft“ eintrete für soziale Verantwortung. Dompfarrer Wolfgang Gaber würdigte die Ökumene, die weit gewachsen sei. „Es kann und soll und muss aber noch weitergehen“, sagte der katholische Stadtdekan unter dem Beifall der Zuhörenden. Er wünschte sich, dass es möglich sei, als Kirche zu einer gemeinsamen Sprache zu finden und dass „wir auf dem Weg zu gemeinsamer Eucharistie und Abendmahl-Feier auf keinen Fall müde werden“. Am Ende der Grußworte überbrachte der Torwarttrainer des SC Freiburg, Andreas Kronenberg, gute Wünsche für die Kirche und überreichte einen Fußball mit den Unterschriften aller Spieler der ersten Mannschaft. Dazu gab es noch die Handschuhe des dritten Torwarts, der zwar selten im Mittelpunkt stehe, aber dennoch enorm wichtig in der Mannschaft sei. Schließlich entließ Stadtsynodenpräsidentin Regina D. Schiewer die Gäste mit dem Wunsch, „geht jetzt raus in die Welt und steht ein für euer Bekenntnis“.

Am Nachmittag gab Stadtdekan dann noch eine Erklärung ab mit der er sein Bedauern ausdrückte, dass viele Besucherinnen und Besucher nicht am Gottesdienst teilnehmen konnten. „ Das hat viele enttäuscht“ sagte Engelhardt „und es schmerzt auch uns als diejenigen, die diesen Gottesdienst seit langem vorbereitet haben. Auch wir waren von dem überwältigenden Zustrom heute früh völlig überrascht. Niemand konnte dies so vorhersehen. Und wenn wir es hätten vorhersehen können, wäre es dennoch nicht zu verhindern gewesen - denn keine evangelische Kirche in Freiburg hat nur annähernd das Fassungsvermögen des Theaters.“
 
Eintrag vom: 01.11.2017  




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