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Luther und die Toleranz
GOTTESDIENST ERINNERT AN DIE MODERNEN POTENTIALE DER REFORMATION

Freiburg (gh). Das am Montag, 31. Oktober begonnene Reformationsjubiläum könnte zum Anlass werden „die kulturellen und sozialen Grundlagen im Blick auf Freiheit und Toleranz“ neu zu bedenken. Das sagte die renommierte Journalisten Heike Schmoll am Montagabend beim gemeinsamen Gottesdienst der evangelischen Stadtkirche zum Reformationstag in der übervoll besetzten Ludwigskirche. Genau auf den Tag 499 Jahre nach Martin Luthers Thesenanschlag, übte die Berlin-Korrespondentin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z.) aber auch Kritik an den „bilderkräftigen Events“, die im anstehenden Jubiläumsjahr an vielen Orten der Reformation stattfinden sollen. Es müsse ausgeschlossen sein, „Luther als Held oder Titan zu feiern“.

Der Glaube könne nur durch das Wort geweckt werden. Schmoll unterstrich in ihrer konzentrierten Ansprache diese Aussage Luthers. Sie betonte, dass der Reformator, der ganz im spätmittelalterlichen Denken verhaftet gewesen sei, selbst niemals Gewalt angewendet habe. Freilich habe vor allem der ältere Luther zu Fragen des Judentums „grauenvolle Irrtümer“ begangen, vor allem in seiner späten Schrift von 1543. Sie prangerte Luthers „abstoßende judenfeindlichen“ Äußerungen an.

Zugleich wies Heike Schmoll, die auch Theologie und Germanistik studiert hatte, darauf hin, dass es Luther darum ging „die Geister unterschiedlicher Glaubensüberzeugungen aufeinander prallen zu lassen und die besten Argumente in freier Debatte zu bewähren“. Luther habe mit dieser Haltung am Beginn der Neuzeit „einen Weg für den Umgang mit unterschiedlichen Überzeugungen gewiesen“. So habe er unter anderem gefordert den Koran ins Lateinische übersetzten zu lassen, um ihn verstehen zu können. Ihm sei es darum gegangen Bücher zu lesen, nicht sie zu verbrennen.
Von diesem Vorverständnis von Toleranz ausgehend habe die Reformation zu einer Pluralisierung beigetragen, die „die Religionen zivilisiert und die destruktiven, intoleranten Potentiale, die der christlichen wie jeder anderen Erlösungsreligion innewohnt, domestiziert“. In Luthers Toleranzdenken, sei modernes Potential angelegt, das jedoch erst viele Jahrhunderte später wirksam geworden sei. Heike Schmoll, die bei der FAZ unter anderem für die Bildungspolitik zuständig ist, fasst dies in ihre Rede auf der Kanzel der Ludwigskirche so zusammen: „Wer Vielfalt als Gewinn an individueller Freiheit schätzt, Christ-Sein und Religiös-Sein so oder ganz anders leben zu können, wird am 31. Oktober 2017 genau das feiern können – unabhängig davon, ob er Katholik, Protestant, freiheitsliebender Muslim oder liberaler Jude ist.“

Begleitet wurde der Gottesdienst von einfühlsamen und auch aufmunternd heiterem Orgelspiel von Bezirkskantorin Hae-Kyung Jung. Auch der Bläserkreis der Studierendengemeinde zeigte sich gut aufgelegt und unterstütze den Gemeindegesang kräftig.
Der Gottesdienst bildete den Auftakt zu den Feiern, Vorträgen und Themengottesdiensten im kommenden Jahr auch in Freiburger Gemeinden. Der Schwerpunkt der Feiern der Stadtkirche zum Reformationsjubiläum liegt in Freiburg unter dem Motto „gedenken – feiern – teilen: 500 Jahre Reformation“ dann im Oktober 2017.
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Eintrag vom: 01.11.2016  




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