„Nicht was wir gelebt haben ist das Leben, sondern das, was wir erinnern und wie wir es erinnern, um das von zu erzählen."
Gabriel Garcia Marquez
Autobiographien sind kein Privileg für Prominente und Poeten. Sie sind auch keine „letzten Worte". Der Blick zurück kann die Gegenwart erhellen und die Zukunftsperspektiven öffnen. Jede Lebensgeschichte ist erzählenswert.
Es gibt viele Beweggründe, sie aufzuschreiben:
Autobiographie als Spurensuche
Sie möchten etwas über Ihre Herkunft, Ihre Wurzel erfahren und der vorangegangenen Generation gedenken.
Sie möchten selbst Spuren hinterlassen, Ihre Erfahrungen und Lebensphilosophie an nachfolgende Generation weitergeben und in deren Gedächtnis bleiben.
Sie fühlen sich als Zeitzeuge und möchten Zeitgeschichte mit schreiben.
Sie wollen sich selbst auf die Spur kommen, sich selbst erkunden.
Je nach überwiegendem Motiv kann Ihre Autobiographie eher den Charakter einer Familienchronik, einer Zeitgeschichte haben oder den eines „Kreuzverhör", wie Christa Wolf ihre Autobiographie „Kindheitsmuster" nennt.
Auf jeden Fall wird die Reise spannend werden, schmerzhaft vielleicht, aber auch erhellend und heilend. Fragen auf dieser Reise könnten sein: Was hat mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin? Fühle ich mich eher als Meister meines Schicksals oder als Opfer? Wer bin ich, wer möchte ich sein, welches Bild haben andere von mir? Was waren meine Ziele und Sehnsüchte, wie haben sie sich verändert?
Autobiographie als verdichtetes Leben - ein Kunstwerk
Eine Autobiographie ist nicht lediglich das Heraufbeschwören von Erinnerungen und Zusammenfassung von Ereignissen, sondern ein Kunstwerk: verdichtetes, gedeutetes Leben. Nicht die Ereignisse, sondern die Bedeutung, die Sie ihnen geben und der Zusammenhang, den Sie beim Schreiben herstellen, stiften Sinn. Nicht was sie Sie erlebt haben, sondern wie Sie es bewerten, zeigt ihre Lebensphilosophie, Ihre Kunst zu leben. Das Verstehen der eigenen Geschichte und die erzählerische Darstellung machen Sie zum Autor Ihres Lebens.
„Leben kann man nur vorwärts, das Leben verstehen nur rückwärts.", sagt der Philosoph Sören Kierkegaard.
Um aus den roten Fäden ein Gewebe zu knüpfen und eine sinnvolle, spannende Geschichte zu erzählen, können Sie literarische Darstellungsformen der Verdichtung und Dramatisierung nutzen: Plot, Spannungsbogen, Konflikte und Charaktere, innere Monologe und Dialoge, Pointe.
Das ist kreativ und heilsam zugleich, denn in der Art, wie Sie Ihre Geschichte erzählen, ändern Sie auch Bewertung und Sinn. Sie schauen auf das Leben aus einem anderen Blickwinkel, können mit Rollen spielen, Ihr Leben als Trauerspiel oder Komödie, als Helden, Abenteuer oder Leidensgeschichte darstellen. Und Sie können sich von leidvollen Erfahrungen distanzieren und von einengenden Selbstbildern („So bin ich eben") oder von Zuschreibungen anderer, („Du warst immer ein schwieriges Kind") befreien. „Ein Leben ist geräumig genug für mehrere Biographien", schreibt der Philosoph Rüdiger Safranski etwas zugespitzt. Eine Autobiographie zu schreiben, ist immer auch eine Möglichkeit, sich neu zu entwerfen.
Autobiographie mit Brüchen und Fragmenten
Brüche und Grenzerfahrungen können auch Voraussetzungen für Neuanfänge sein. Solche Wendepunkte machen eine Biographie spannend.
Sie müssen Ihre Autobiographie nicht mit der Geburt beginnen und chronologisch schreiben. Sie wählen aus und gestalten Ihre Erinnerungen aus Ihrer Perspektive. Das autobiographische Gedächtnis arbeitet nicht chronologisch. Es hält fest, was emotional bedeutsam war und Folgen hatte. Es arbeitet mit Bildern und Fragmenten und gestaltet die Erinnerungen immer wieder um. Das Fragmentarische, Unvollkommene, auch Unerklärbare wird beim Schreiben immer auch erhalten bleiben. Nicht alles ist erklärbar, bleibt mehrdeutig wie in jedem Kunst auch. Hüten Sie sich vor allzu plausiblen Mustern.
Autobiographie als Dialoge mit anderen
In Autobiographien sprechen wir nicht nur mit uns selbst, sondern führen auch Dialoge mit Partnern, Kindern, Weggefährten. Außerdem sehen wir uns auch mit den Augen der Anderen, auf deren Bestätigung und liebevollen Blick wir angewiesen sind. Sie und nicht die Öffentlichkeit sind unsere Adressaten. Es ist immer auch eine Möglichkeit, mit anderen ins Gespräch zu kommen.
Vielen Menschen tragen sich mit dem Gedanken, ihre Lebensgeschichte für sich oder Ihre Nachkommen aufzuschreiben, sie schieben es aber immer wieder auf, weil Ihnen der Mut oder der letzte Anstoß fehlen.
Vertrauen Sie darauf, dass sich während des Schreibens Erinnerungen und sinnstiftende Zusammenhänge allmählich herstellen und dass sich Ihre Schreiblust und Fähigkeit entwickeln wird.
Dr. Margit Inka Postrach, geb. 1954, zwei erwachsene Kinder, ist Kulturwissenschaftlerin, Gestalttherapeutin und Supervisorin.
Seit Jahren berät sie Menschen beim Schreiben ihrer Autobiographien. |