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Wohin denn nun, Kollege Roboter?
Ein Beitrag von unserem Leser Günther Dressler

Sie sind fleißig, zuverlässig, kennen keinen Feierabend und haben keinen Urlaubsanspruch. Sie schneiden, schweißen, schrauben, lackieren, reinigen, inspizieren, transportieren, bauen ganze Autos zusammen; man schätzt, dass weltweit gut eine Million Industrieroboter werkeln. Doch alle arbeiten sie fremdgesteuert, folgen Befehlen, die ihnen der Mensch eingegeben hat. Werden Roboter auch einmal eigenständig, intelligent, mit „Bewusstsein“ agieren? In der Wissenschaft bewegt man sich in dieser Frage zwischen Zuversicht und Skepsis.

1769 konstruierte der österreichische Dichter und Erfinder Wolfgang von Kempelen, Sekretär am Hofe Maria Theresias, einen Apparat, der einen Menschen im Schachspiel besiegen würde. Doch die als sensationell empfundene Demonstration von "künstlicher Intelligenz" war nichts als Täuschung: Im Schrank unter dem Schachbrett, dem Gegner wie den Zuschauern verborgen, saß ein leibhaftiger Spieler. Mit Hilfe eines Pantographen steuerte er den Zugarm der am Tisch sitzenden Puppe. Zwei Jahrhunderte später aber geschah es wirklich: 1997 zwang der superschnelle IBM-Computer "Deep Blue" seinen Gegner, den russischen Schachweltmeister Garri Kasparow, zur Aufgabe.

In einer rechnerischen Disziplin wie dem Schachspiel hatte sich die "Intelligenz" des Computers der geistigen Kapazität des Menschen erstmals als überlegen erwiesen. Aber würde die Maschine dem menschlichen Gehirn auch auf anderen Feldern ebenbürtig sein? Wird sich unser Gehirn mit seinem ungeheuer verästelten neuronalen Netz irgendwann nachbauen lassen? Was ist dran an Künstlicher Intelligenz? An der Lernfähigkeit, ja der Kreativität von Robotern? Robotern, die mitdenken, eigenständig agieren, sogar mitfühlen können.

Immerhin gelingt es den Maschinen schon, Sinnesleistungen des Menschen verblüffend zu imitieren: Tasten, Hören, Sehen, Schmecken, Riechen – auch, zwar nur rein mechanisch, Gefühle auszudrücken. Computer verstehen (und reagieren) auf Sprache, können auch selber sprechen. So wie FränKi, die elektronische Kino-Auskunftei im Großraum Nürnberg: "Wo läuft denn heute der neue Star Wars?" Schon kommt die flüssig gesprochene Antwort: "Im Cine Star Erlangen um achtzehn Uhr." Der Rechner versteht nicht, was er da sagt, doch gibt er richtig und "logisch" wieder, was man ihm eingetrichtert hat.

Ein fleißiger Befehlsempfänger, aber kein Chef

Roboter greifen Gegenstände, saugen Teppiche, mähen Rasen, schenken Getränke ein, kriechen, gehen, steigen Treppen – wie Asimo, der "Honda sapiens", der sich, ein wenig ungelenk noch, auf zwei Beinen bewegt wie der Mensch. So erstaunlich die Leistungen dieser Roboter anmuten, sie gründen auf dem Wissen des Menschen, das dem Schaltzentrum der Maschine eingegeben wurde. Mit hoher Präzision führt sie Befehle aus, verarbeitet Datenberge in schier unglaublicher Geschwindigkeit. Doch handelt sie algorythmisch, nach mathematischen Gesetzen, eben ohne Einblick und ohne Erfahrung.

Seit den 1980er Jahren arbeiten Forscher an Denkmaschinen, die eher dem biologischen System des menschlichen Gehirns entsprechen, wahrnehmungs- und lernfähig sind. Die amerikanischen Wissenschaftler Hans Moravec und Ray Kurzweil erwarten, dass Computer um das Jahr 2040 einen sich menschlicher Intelligenz annähernden Stand und so etwas wie eigenes Bewusstsein entwickelt haben werden. Moravec sagt für Mitte des 21. Jahrhunderts sogar eine "genetische Wachablösung" durch "superintelligente Roboter" voraus. Marvin Minsky vom Massachusetts Institute of Technology in Boston sieht den Menschen am Ende gar entmündigt: Wir könnten froh sein, wenn uns die intelligenten Roboter dann noch "als ihre Haustiere akzeptieren".

Hirnforscher wie Wolf Singer vom Frankfurter Max Planck Institut und Andreas K. Engel vom Forschungszentrum Jülich meinen indes, Intelligenz lasse sich nicht auf pure Rechnerleistung reduzieren. Der kalifornische Philosoph John Searle schreibt, wirklich intelligente Bewusstseinsprozesse, wie sie im Menschen, zum Teil auch im Tier ablaufen, blieben selbst dem leistungsfähigsten Computer verborgen. Und der Bremer Hirnforscher Gerhard Roth glaubt, Bewusstsein als ein unfassbar komplexer Zustand sei nicht einmal annäherungsweise nachbaubar. "Was machen wir also, wenn uns ein zukünftiger PC mit leidender Stimme mitteilt: 'Ich bin einsam, leiste mir bitte Gesellschaft'?. Sofern das Bewusstsein nur simuliert ist und wir gerade anderweitig beschäftigt sind, schalten wir ihn am besten einfach aus."

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Zum Foto: Der Schachtürke, ein vermeintlich intelligenter Maschinenmensch, mit dem der kaiserliche Hofsekretär Wolfgang von Kempelen alle Welt "türkte". (detailgetreuer Nachbau)

Museumstipp: Von der Keilschrift zum Computer. Das Heinz Nixdorf MuseumsForum in Paderborn, größtes Computermuseum der Welt, führt mit rund 6 000 Exponaten durch die Geschichte der Informationstechnik.
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Eintrag vom: 27.08.2010 Autor: Günther Dressler




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